....das einfache Leben.... oder: es ist Zeit, schreiend im Kreis zu rennen

Über die letzten 4000 Kilometer konnten wir beobachten, wie die Straßenverhältnisse immer schlimmer werden, bestenfalls reiht Schlagloch an Schlagloch und hin und wieder fehlt eine Spur komplett - weggespült.... Wenn es sich um Asphalt handelt. Erdstraßen sind momentan in fast ganz Brasilien kaum  zu gebrauchen, es steht kniehoch das Wasser drauf und im Schlamm bleibt so ziemlich alles stecken.  Es tümmelt sich auch allerhand Viehzeug auf der Straße, Ziegen, Kühe, Pferde, Esel und Hunde, bestenfalls lebendig, aber hin und wieder auch in grotesk verrenkter Totenstarre. Aber wenigstens scheinen die menschlichen Verkehrsopfer aus dem Weg geräumt zu werden und die zerstörten Fahrzeuge zieren nur den Fahrbahnrand.... Ach ja und wenn nicht gerade die Straßenverhältnisse stören, so tun es die übrigen Verkehrteilnehmer, die Gas verkaufen (langsam fahren, laut klingeln, oft durchsagen) oder Werbung machen (unzählige Watt auf dem Dach oder auf dem Anhänger) für alles Erdenkliche- Jeansladen im Ausverkauf oder die nächste Gemeindeversammlung....oder auch einfach mal anhalten (Autobahn) um zu telefonieren.....ganz zu schweigen von Pferde-, Muli- und Ochsenkarren, Fussgängern und Fahrradfahrern auf mehrspurigen Schnellstraßen...... und wir fahren und staunen und kommen doch erstaunlich gut durch. Wenigstens sind die brasilianischen Verkehrpolizisten nicht lästig. Wir werden kaum angehalten und wenn dann nur freundlich ausgefragt und anschließend gesegnet, beglückwünscht und fortgeschickt.....

So schaffen wir es auch eines Tages gegen Mittag nach Jijoca de Jericoacoara und nachdem wir alle Touri-Führer abgewimmelt haben und uns nach dem Weg erkundigt haben, erreichen wir also den Sitio (Landsitz, Farm) unserer Freunde. Wir treffen auch sofort den Caseiro (Hausmeister, Aufpasser) Pedro und seine Frau Maria mit Kindern und sie öffnen uns Tor und Tür. Erleichterung! Es ist keine Bretterbude und es gibt Strom! Es ist sogar ein schönes Häuschen, dass sich zwar noch ein bißchen im Aufbau befindet, aber worin es sich gut wohnen lässt. Leider sieht es ums Haus zu und auch drinnen aus, als wäre ein Tornado durchgefegt.... alles voller Müll und Sand. Wir setzen uns auf die Veranda und Maria schwingt erstmal den Besen (die beiden wissen zwar schon lange, dass wir kommen werden, aber arbeiten tut man ja besser erst, wenn es wirklich so weit ist....nicht dass man am Ende etwas umsonst macht..... ), aber wir sind ja im Urlaub und nicht auf Arbeit und deswegen regen wir uns nicht auf und fragen auch nicht, wo der Dreck herkommt, schließlich sind wir ja auch nur zu Gast hier. Nach einer guten Stunde ist dann auch alles so weit hergerichtet, dass wir "einziehen" können.
Während wir also so auf der Veranda sitzen,  bekommen die Kinder von uns eine Packung Kekse und freuen sich natürlich. Einige Zeit später findet Friso die Verpackung auf dem Fußboden wieder und fragt, warum die denn da so rumliege.... Als Antwort bekommt er ein Schulterzucken und die Frage: Wieso, macht doch nix, die ist ja leer. Einer der Jungs muß sich dann allerdings doch bequemen und sie in den Müll werfen unter Frisos strengem Blick. Wie Weras Papa hierzu sagen würde: Erziehung ist Glückssache. Danke Papa, dass du mir so viel Weisheit mit auf den Lebensweg gegeben hast, dass lässt mich alles gelassener nehmen.

Wir schauen uns also erstmal um und entdecken einen reich gefüllten Obst und Gemüsegarten. Es gibt einen Limettenbaum mit unzähligen Limetten (über 1000 Stück) und wir wissen nicht, was wir damit tun sollen. Tausende Limetten. Es gibt auch einen Acerola Baum, den Friso erstmal aberntet und zu Saft verarbeitet, den wir einfrieren. Die Bohnen trocknen in der Sonne und Wera macht sich ans Pulen.
Die kleinen schwarzen Ferkel quiecken durch die Gegend, die Hühner auch und insgesamt ist es für uns eine totale Landidylle. So würden wir auch wohl leben wollen. Leider fehlt die Waschmaschine und an das morgendliche Waschen der Wäsche können wir uns auch nach so vielen Wochen im Sprinter nicht gewöhnen. Aber das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau.

Das letzte Foto unserer geliebten Nikon D90.....

Es bleibt nur die Hoffnung auf den Nikon Service in Sao Paulo....

Etwas ungewöhnlich für uns ist auch die Anzahl der Leute, die so übers Grundstück schlendern und sich ebenfalls im Gemüsegarten bedienen. Das ist vor allem blöd, wenn man aus der Dusche kommt und die Klamotten noch an der Wäscheleine hängen oder man noch den Bikini anhat, weil man gerade vom Strand kommt. Bei der Hitze dürfen Männer natürlich den lieben langen Tag nur mit Bermuda Shorts rumlaufen. Frauen wird nicht die gleiche Freiheit zuteil und die haben sich anzuziehen oder werden sonst seh dreist angeglotzt. Da hat man schon ein Riesengrundstück auf dem Land und hat doch nicht seine Freiheit..... Natürlich halten sie auch alle gerne an, um ein Schwätzchen zu halten und als Wera noch abends darüber mit dem Kopf schüttelt (vor allem, weil sie von dem Kauderwelsch der Leute fast gar nix versteht ... schick mal nen Ostfriesen nach  Bayern) meint Friso nur: Wera, wir sind doch tausendmal spannender als Fernsehen für die Leute hier, es passiert ja auch sonst nix!!! Also akzeptiert auch Wera ihr Schicksal als Attraktion und passt sich an.... und bloß nicht den Fehler machen und etwas zu Essen oder zu Trinken anbieten (das ist doch sogar für Ostfriesen unvorstellbar, seinem Besuch oder Nachbarn oder wem auch immer nicht zumindest ne Tasse Tee anzubieten, wir haben ja schon ein schlechtes Gewissen, wenn wir keinen passenden Keks dazu haben.....), denn sonst gehen die Leute gar nicht mehr weg- die ganz Hartnäckigen muss man wegschicken, sonst gucken die einem noch beim Essen zu.

Ach übrigens, von der Ruhe auf dem Land ist auch nicht so viel zu spüren. Jeder hat ein knatterndes Moped und das Radio oder der Fernseher müssen so laut sein, dass man das bei der Arbeit im Garten auch noch gut hören und ggf mitsingen kann.
So hörten wir auch im Radio, dass Osama wohl per Kopfschuss aus dem Leben gepustet wurde, da wir allerdings nur mit halben Ohr zuhörten, hat Friso doch erstmal bei Pedro nachgefragt, wer denn da nun getötet worden sei, worauf Pedro erklärte, ja es stimme, Obama sei tot. Da setzte bei uns natürlich die totale Verwirrung ein und wir haben den Fernseher und Reciever aus dem Kleiderschrank gekramt und angeschlossen, um mal Nachrichten zu schauen... und siehe da, unser halbes Ohr hatte richtig gehört. Und während wir also die brasilianischen Nachrichtensender anschauen, fangen wir an zu grübeln, ob nicht vielleicht Pedro und seine Familie in ihrer bildungsfreien Unwissenheit (Lesen & Schreiben gehört nicht zu den Standardkenntnissen) ein glücklicheres Leben führen.... Sie führen ein bescheidenes Leben ohne Luxus aber grübeln auch nicht über Atomausstieg, Antiterrorkriege, Umweltprobleme, Ernährungslügen oder übers Kinderkriegen nach und es fehlt ihnen auch an Nichts...... So sitzen wir also im Busch, trinken Coco Gelado und sinnieren so vor uns hin und kommen am Ende doch zu dem Entschluss, dass die beiden auch nicht glücklicher leben, weil sie wohl nicht "den Verstand" haben, all das zu genießen, was sie hier haben und worum sie sich nicht sorgen müssen....


Zum Sitio gehört auch ein knatternder Ferrari-roter Strandbuggy. Frisos Herz schlägt sogleich höher beim Anblick eines so schönen, gepflegten, Dünen-tauglichen, be-Alufelgten Flitzers. Der Sprinter hat also erstmal Pause. Wir füllen Sprit auf, kontrollieren Öl und wollen losfahren und beim Umdrehen des Schlüssels kommt nur quälend und knatternd der olle Käfermotor in die Gänge. Wenn wir nun auch noch den Rückwärtsgang finden könnten, könnten wir losfahren. Friso rührt und rührt und flucht und das Getriebe knarzt und knackt aber irgendwann hat er Glück und der Buggy rollt rückwärts von der Veranda runter und bald darauf (wieder Einiges an Rühren) auch durch die Auffahrt. Unterwegs stellen wir fest, dass wir mit Buggys (wie damals, 2006 in Brasilien) wohl kein glückliches Händchen haben, denn Motor und Licht sind das Einzige was funktioniert. Keine Anzeigen, kein Blinker, kein Gurt, keine Bremswirkung.... aber er kanattertert vor sich hin und meistens findet Friso auch den richtigen Gang. Allerdings kriegt Wera als Beifahrer meistens keine Luft, denn erstens ist der Tankdekel nicht richtig dicht und der Benzinigeruch  kommt mit dem Fahrtwind direkt in ihre Nase und zweitens muss sie sich über Friso im Buggy kaputt lachen. Damit ihr alle mitlachen könnt, erinnert ihr euch noch an "High-Tower" aus Police Academy!?!? -Ja? Muss man mehr sagen!?   -Nein? Wir machen mal einen Filme abend mit Police Academy 1-3 wenn wir wieder in Deutschland sind.  Bis dahin reicht vielleicht das Bild eines Affens auf dem Schleifstein.

Leider sind infolge des heftigen Regens zwei von drei Zufahrten zum Strand auch mit Buggy nicht passierbar (manchmal vermissen wir unser Defenderchen) und so waren wir erst einmal kurz am Strand, über 15 km Umweg....... Das Wasser hat Badewannen-Qualtität und ist sehr angenehm.... Mal sehen, vielleicht finden wir ja noch Pferde, damit wir den direkten Weg zum Strand reiten können....

 Wir haben gerade zu Mittag gegessen (Bohnen und Reis und Farofa), auf unserer Veranda haben sich schon wieder Pedro und sein Sohnemann eingefunden und Friso macht eine kleine Runde Erdkunde, indem er mit dem Filius mit dem  Finger über einen kleinen Plastikglobus fährt.....während es weiterhin in Strömen regnet....

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