...Schnaps & Strand ...

Nach dem gemeinsamen Abend im Fischerdorf verabschieden wir uns dann von Arturo und Nelly, nachdem wir gemeinsam die rutschige Schlammpiste zur Hauptstraße entlanggeglitten sind. Wir biegen wieder nach Süden ab, entlang der Strände Richtung Guayaquil. Wir wollen Richtung Cojimies, der Reiseführer empfiehlt ein entlegenes, nur über den Strand erreichbares Kokusspalmen-Hotel, das wollen wir uns anschauen. Als wir dann in Pedernales proviantiert haben und nach dem Weg fragen, stellen wir fest, dass es inzwischen eine 1-A asphaltierte Superstraße bis rauf nach Cojimies gibt und weil auch gerade Ferienwoche ist, ist die ganze Küste alles andere als einsam und paradiesisch. Alle Quiteños, also die Bewohner Quitos, verbringen ihre freie Zeit am Strand. Trotzdem finden wir etwas suedlich von Cojimies (siehe Favoriten) ein freies Plätzchen auf dem Campingplatz direkt am Strand, umgeben von Kokuspalmen und freundlichen Ecuadorianern. Kein Ramba-Zamba die ganze Nacht, kein Gezanke und Gejaule wie zur Hochsaison auf Campingplätzen in Brasilien. Nein, alles ruhig und beschaulich. Samstag und Sonntag machen sich dann auch alle anderen Camper wieder auf den Weg nach hause und viele verabschieden sich bei uns und lassen ihre Visitenkarten da- für alle Fälle. Wir kommen nicht klar darüber, was für feine Leute in diesem Land leben!!! Wir sind richtig gerührt. Dann sind wir ziemlich schnell die einzigen Gäste, dürfen noch Bettwäsche waschen, Tanks auffüllen, Sprinter putzen und werden sogar noch von der Besitzerin mit einem Mittagesssen beschenkt, wir dürften doch nicht gehen, ohne Ihren Fisch probiert zu haben.... wir sind begeistert und sehen gern über die nicht geputzten und etwas verwahrlosten Sanitäranlagen des Campingplatzes hinweg! 

Wir sind schon spät dran und düsen dann auf direktem Wege nach Canoa, dem angeblich hippen kleinen Surferort. Wir kommen erst im Dunkeln an und steuern direkt die Campingplatz-Empfehlulng des LP an und dann gehen wir essen. Am nächsten Morgen stellen wir fest, dass der Campingplatz ein dreckiger Hinterhof ist, das WIFI nicht geht und  überhaupt ist es doof und teuer und auch Strand und Dorf überzeugen uns überhaupt nicht und so begeben wir uns gleich wieder auf die Straße. Aber auch die anderen kleinen Dörfer entlang der Küste sind nicht sonderlich einladend und so landen wir am Ende des Tages im brandneuen und sehr gepflegten "Touristenkomplex Paradies unterm Mond". Der gleiche Irre, der sich den Namen für diese Anlage ausgedacht hat, hat vermutlich auch die Wasserrutsche in den Pool konstruiert. Wir bekommen dort also einen schönen Stellplatz hinterm Haus mit Blick auf die angrenzenden Reisfelder und da es 10 USD pro Person kostet, wollen wir nichts ungenutzt lassen und Wera steuert zielsicher die Poollandschaft bzw die Rutsche an. Leider ist das Verhältnis von Kurven und Neigung dieser Rutsche so bescheiden, dass es nicht möglich ist, in der Höllengeschwindigkeit um die Kurven zu rutschen, ohne sich gleichzeitig Kopf und Knöchel zu stoßen. Am Ende ist die Geschwindigkeit dann sogar so hoch, dass es einen fast aus der Rutsche auf den Beton hebelt. Die unvorteilhaften und selbst beim Betrachten Schmerzen verursachenden Fotos ersparen wir euch. Also wieder kein Ort zum Verweilen, und am nächsten Morgen in aller Frühe geben wir wieder Gas.

Heute sind wir also der frühe Vogel und fahren erstmal nach Montechristi, den Hutflechtern ein bißchen zuschauen. Da es aber noch ganz schön früh am Tage ist und wir ja auch eigentlich schon Hüte aus Cuenca haben, kaufen wir nur ein paar kleine Souvenirs (ist ja bald Weihnachten) und wollen die Stadt wieder verlassen. Dabei entdecken wir dann einen kleinen Laden, der schöne Fässer herstellt und da Friso schon länger sowas sucht, um seinen geliebten Zuckerrohrschnaps zu veredeln, nehmen wir auch gleich eins mit. Nur der Schnaps fehlt noch. In Montechristi ist der Schnapshandel wohl irgendwie verboten (ebenso wie an Sonntagen kein Alkohol mehr verkauft oder ausgeschenkt werden darf, ebenso wie es sogar eine zeitweilige totale Prohibition gab, weil zu viel Fusel (auch von z.T. Namhaften Herstellern) unters Volk gebracht wurde, und das oft mit Todesfolgen) und so werden wir ins nächste Dorf geschickt. Von dort widerum ins nächste Dorf. Wir sind schon ganz erschöpft von der Suche und machen erst einmal Pause am Kokusnuss-Stand. Was für ein glücklicher Zufall, bald steht eine Gallone Selbstgebrannter aus Privatbestand vor uns. Wir sitzen da natürlich auch nicht lange alleine und halten bald einen feinen Schnack mit Familie und Nachbarn. Dabei erfahren wir, dass es in der Nachbarschaft die „Hacienda Bonanza“ gibt, die einem Deutschen gehöre, der übrigens auch Schnaps brenne. Zunächst nicht sonderlich interessiert daran, einen Exildeutschen zu treffen, fahren wir erst am Tor vorbei, um uns noch so eine rustikale Schnaps-Brennerei anzuschauen und sind uns nicht sicher, ob man das, was dort in Plastikfässern zwischen Hühnerdreck gelagerte Material wirklich trinkbar ist, naja, Probieren geht über Studieren und 2 USD für 4 Liter ist ja auch nicht die Welt.  

 

Auf dem Rückweg überlegen wir uns dann, dass ein kurzes Hallo auf der deutschen Hacienda ja nicht schaden kann und fahren doch die von Palmen gesäumte Auffahrt zur wunderschönen Hacienda hinauf. Auf dem Hof begrüßt uns Joachim, der hier mit seiner Frau, seinen Doggen und einem Papagei ein Wochenendrestaurant mit Ferienapartments betreibt und der uns auch sogleich bereitwillig seine Destillerie zeigt. Nur wenig später sitzen wir mit diversen Flaschen Leckerlis gemeinsam bei der Verköstigung selbiger. Joachim hat aus der Not heraus (siehe oben) angefangen, seinen eigenen Whiskey zu machen, da man in Ecuador nur Kopfschmerz in Buddel bekommt (sogar die großen Importmarken dürfen für den ecuadorianischen Markt ihre Produkte mit billigem Industriealkohol strecken). Aus der Not so eine Tugend gemacht, stellt er heute – als einzige vollkommen lizenzierte Privatbrennerei in Ecuador – allerhand verschiedener Brände und Liköre her. Vom Tumi – einer Art Pernot, über Maracuja-Likör hin zu Whiskey, Rum oder gar Tequila, experimentiert gerne und verarbeitet all das, was es an Früchten so gibt. Natürlich alles von höchster Qualität und garantiert ohne Kater am Morgen danach.

Das wollen wir doch mal sehen! Und so testen wir in den nächsten vier Tagen ausgiebig durchs gesamte Sortiment und können bestätigen: feinstes Material, ruhiger Schlaf und guter Morgen danach! So macht das Trinken Spaß, so ganz ohne Reue.  

 

Es ist aber nicht so, dass wir nur trinken würden. Weit gefehlt, wir essen auch! Dafür fahren wir extra bis nach Manta, wo ein Amerikaner seine selbst gezüchteten, selbst geschlachteten Rinder verkauft, natürlich zu appetitlichen Steaks zerlegt. (Wer dort vorbei komm: Casa de la Carne, es lohnt sich) Das ergibt ein feines kleines Grillfest. In Manta schauen wir uns auch noch die örtliche Werft an, wo direkt am Strand die Holzfischerboote gebaut werden und die Spanten mit der Kettensäge aus dem Vollen geschnitten werden.

Viel Zeit verbringen wir auch noch mit Wacho- dem riesigen grünen Papagei, der auf der Hacienda gelandet ist, weil ihm eine Kollision mit einem fahrenden Auto einen Flügel zerstört hat. Wera ist sofort verliebt....Ebenso viel Charme haben die süßen Welpen- Mischlinge aus Dogge und Labrador....

 

Wera hat außerdem noch ein anderes Programm, sie geht mit Sylvia, Joachims Frau, zur „Bailotherapia“ - wieder mal Tanzen (schon das dritte Mal in Ecuador!!!) und das geht so: Zu internationalen Hits wird Musikvideo-ähnliche Aerobic betrieben, mit viel Hüftschwung und Arschwackeln. Die Frauenmischung ist denkbar bunt, von der deutlich übergewichtigen Mama bis hin zur neunjährigen Tochter von Sylvias Schwester, alles hoppst mit, die Schritte sind nicht schwer (wie gesagt, Aerobic) und Mitsingen erlaubt. Aufwärmen, Dehnen, Stretchen, das braucht man alles nicht, aber anstrengend ist es trotzdem -nach kurzer Zeit sind wir völlig durchgeschwitzt- ebenso wie unser Trainer, einem sehr niedlichen, sehr durchtrainierten, unheimlichen tuckigen 18-jährigen Jungen, der locker Miss Aguillera oder Michael Jackson (zu guten Zeiten) in die Ecke tanzen würde und dessen Hüften lasziver kreisen, als es die der ecuadorianischen Frauen vermögen. Insgesamt eine äußerst amüsante und sportlich durchaus herausfordernde Stunde....und endlich wissen wir, was Bailotherapia ist, haben wir es doch schon so oft auf Schildern oder in Schaufenstern gelesen

 

Bevor wir dann aber zu Alkoholikern werden (welch süße Vorstellung hier auf der Hacienda, Sonne, Pool, ein Drink....), verabschieden wir uns von hier, aber schütten vorher all den billigen Straßenrandschnaps weg. Die leeren Flaschen und auch das Fass werden stattdessen mit Joachims guten Tropfen gefüllt. So gut ausgerüstet, fahren wir wieder an die Küste und gondeln so durch die Dörfer. Am späten Nachmittag machen eine große Menge Autos am Straßenrand sowie unzählige aufgeregte Leute auf sich aufmerksam, wir halten also an und wollen mal schauen, was es dort gibt. Es nieselregnet und es ist kalt, ein schwerer Duft aus Alkohol liegt in der Luft die männliche Dorfbevölkerung ist in heller Aufruhr, ebenso wie die zahlreichen Hähne, die in ihren Boxen krähen. Denn es ist Hahnenkampf! Es gibt einen kleine Holzarena und gerade werden die zwei Kandidaten für den Kampf präpariert. Für einen kleinen Wetteinsatz dürfen wir mitmachen und wundern uns die kommenden fünf Minuten lang über dieses irgendwie gruselige Schauspiel. Während also die beiden Kampfhähne sich die Köpfe einhacken, ein Schiedsrichter aus uns unerklärlichen Gründen pfeift, abbricht, von vorn beginnen lässt, brodelt die Menge.....es gewinnt am Ende der falsche Hahn und wir sind ein paar Dollars ärmer aber überhaupt nicht schlauer. Jegliche Versuche, den aufgeregten Männern einige Erklärungen zu entlocken, scheitern- Ihrer Muttersprache sind wir inzwischen mächtiger als sie selbst und mehr als laut gröhlend ihren Unmut über den Ausgang des Kampfes kundzutun sind sie nicht imstande. Wir sind froh, dass beide Hähne überleben und begnügen uns mit diesem ziemlich bizarren Einblick ecuadorianischer Dorfkultur. Uns wird’s dann auch irgendwie ungemütlich (vor allem Wera unter den Blicken....) und wir springen schnell wieder in den Sprinter. In Puerto Lopez am Strand finden wir ein ruhiges Plätzchen und verbringen eine ungestörte Nacht nachdem wir die hervorragende Picanha vom amerikanischen Schlachter auf den Grill gehauen und anschließend verzehrt haben.

 

Von Puerto Lopez aus, der „Whale Watching“ Zentrale, wenn Saison ist, was aber gerade nicht der Fall ist, kommen wir nicht sonderlich weit. Nur wenige Kilometer südlich davon zieht uns ein wunderschöner Strand in seinen Bann und das Beste daran: Es hat einen Campingplatz, wir sind die einzigen Gäste und die Sonne kommt auch noch raus. Drei Tage lang verbringen wir damit, aufs Meer zu schauen, den Pelikanen beim Fischen zuzusehen, Spaziergänge zu machen, Schlammbäder zu nehmen und.... Fotos und Berichte für die Homepage zu machen, denn WIFI gibt’s hier im Paradies auch noch. Es ist, mal ganz nebenbei erwähnt, der einzige Campingplatz auf unserer bisher 14-monatigen Reise, deren Toiletten morgens in aller Frühe komplett geputzt werden- und das jeden Tag. So eine ausgiebige Pflege wird den meisten Sanitäranlagen hierzulande nicht zuteil. Aber wie dem auch sei, am eigentlich letzten Abend sitzen wir also wieder am Strand auf unseren neuen Campingstühlen und gucken einander verdutzt an, weil wir denken, der eine rüttele am Stuhl des anderen. Aber weit gefehlt: Die Erde bebt. Und zwar kräftig und ziemlich ausgiebig! Was für ein komisches Gefühl. Nach 30-40 Sekunden ist der Spuk vorbei und ein späterer Blick ins Internet bestätigt, Stärke 5,7 Epizentrum nur 90 Meilen vor der Küste. Aber der Tsunami bleibt aus und wir haben wohl nochmal Glück gehabt.

 

Am nächsten Tag wollen wir eigentlich verschwinden, wenn nicht plötzlich die lokalen Fischer am Strand auftauchen würden, die es auf einen irgendwo gesichteten Schwarm Fische abgesehen haben. Während also einer auf einem Ausguck sitzt und Ausschau hält, machen die Übrigen das Boot und das Netz klar. Und irgendwann ist es dann auch soweit, Zeit zum Auslaufen! Das Boot wird mit reiner Muskelkraft ins Wasser geschoben und auch dort nur von selbiger fortbewegt. Im Großen Bogen wird das Netz ausgebracht und von Land aus - 20 Mann, zwei Seiten - an den Strand gezogen. Und Friso mittendrin. Nach so viel harter Arbeit ist die Ausbeute im Netz aber enttäuschen, die zahlreichen Fischkisten bleiben leer. Nur eine riesige Schildkröte wurde mit an den Strand befördert. Das hat sie aber ohne Blessuren überstanden und wird sofort befreit und in die Mangroven auf der anderen Seite vom Strand getragen. Dort leben schon zwei andere Schildkröten und man hofft auf Vermehrung. Der Campingplatz, bzw vielmehr sein Besitzer ist nämlich Im Tier- und Umweltschutz sehr engagiert und außerdem ist das alles hier ein Nationalpark. Das wundert uns allerdings etwas. Es sind die letzten ursprünglichen Küstenabschnitte (also so wie es aussah, bevor die Spanier kamen und bevor Ecuador weltweit Hauptproduzent von Shrimps wurde), wo der Wald bis an den Strand reicht und dort in Mangroven übergeht. An und für sich eine feine Sache, aber praktizierten Umweltschutz sehen wir nirgendwo..... es scheint irgendwie alles erlaubt zu sein. Naja. Ein Nationalpark ist ja auch schnell gemacht- auf dem Papier.

Auf jeden Fall ist der Tag nun schon rum und wir bleiben doch noch eine Nacht auf unserem neuen Lieblingscampingplatz am Strand.

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Joachim Schulze (Freitag, 18 November 2011 22:17)

    Hallo Ihr beiden
    War schön Euch kennezulehrnen und wenn immer Euch der Schnaps ausgeht kommt doch einfach mal vorbei um wieder aufzufüllen.
    Viel Spass bei Euren neuen Abenteuern und gute Heimreise.

    Joachim
    Destileria Bonanza

  • #2

    entdeckungsreise (Sonntag, 27 November 2011 04:11)

    wir sind eher wieder bei dir, als du es dir wünschst ;-)

  • #3

    Best Juicer (Samstag, 27 April 2013 11:50)

    This is an excellent write-up! Thanks for sharing with us!