...Andenwelt im Norden Perus

Das Erdkunden der archäologisch und landschaftlich grandiosen Region um Chachapoyas  gestaltet sich aufgrund der allgemeinem Wetterlage (hatten wir erwähnt, dass es viel regnet?) und den daraus resultierenden Straßenverhältnissen (hatten wir erwähnt, dass die meisten Straßen NICHT asphaltiert sind) als etwas schwieriger als erwartet.

Sarkophage von Kajaria
Sarkophage von Kajaria

Das erste Ziel sollen die Sarkophage von Karajia sein. Hierbei handelt es sich um schön gestaltete Särge (mit Inhalt) der Chachapoyas-Kultur, die auf Bergen oder an Felswänden mit Aussicht ihre letzte Ruhe fanden. Die Chachapoyas hatten also eine recht eigenwillige Art, ihre Toten beizusetzen. Die Strecke dorthin ist mühsam, aber zur Abechslung regnet es nicht und große Teile der Straße sind trocken und ohne Allradmodus gut befahrbar. Wir erleben ein Peru, dessen Traditionen und Lebensstil sehr kontrastreich mit der modernen Welt kollidiert. Die Häuser der Menschen bestehen aus Lehm, die Dächer sind aus Stroh, Ziegeln, oder etwas moderner, aus Wellblech. Erinnern tun sie allesamt an das, was wir nur aus dem Moormuseum kennen. Morgens ziehen die Menschen mit Schaufel auf der Schulter und Kofferradio um den Hals aufs Feld, um zu pflügen, umzugraben, zu ernten. Nur die wenigsten haben hierzu die Hilfe von Ochsen und niemand besitzt motorisierte Unterstützung bei der Feldarbeit. Die älteren Frauen und kleinen Kinder sitzen vor dem zum Trocknen ausgebreiteten Mais, um die Hühner fernzuhalten. Mütter sind grundsätzlich alle am Stricken oder Häkeln oder Spinnen, egal was sie tun, den Säugling dabei immer an die Brust gepresst. Das ist Multitasking: Laufen, Häkeln, Stillen- alles gleichzeitig. Und gerade wenn man meint, man sei angekommen im zeit- und fortschrittslosen Stillstand, sieht man die neue Welt- Müll aus leeren PET-Flaschen, Dosen, alte Autoreifen. Der Plastikstuhl vor dem Haus. Die Chipstüte in der Hand, bald am Wegesrand. Die Bierwerbung an der Lehmhütte, die Langnese Kühltrühe. Die Agrar-Apotheke, die an Unkraut- und Ungeziefervernichtung alles verkauft, was der Markt hergibt. Lesen kann die Instruktionen auf den mit Totenkopf-zeichen bedruckten Kanistern aber niemand- gesprüht wird ohne jegliche Schutzkleidung. Das allles passt nicht zusammen und man wird nicht fertig mit dem Wundern: Warum bringt die moderne westliche Welt nie etwas Gutes oder Sinnvolles in die abgelegenen und vermeintlich rückständigen Regionen dieser Welt?

Nach einigen Stunden Fahrt und einer kurzen Wanderung erreichen wir, von zwei fröhlichen Jungen aus dem Dorf begleitet, die Sarkophage, wie von der steilen Felswand aus die Schlucht überblicken. Wie um alles in der Welt hat man die dort aufgebaut?  

rekonstruiertes Rundhaus auf Kuelap
rekonstruiertes Rundhaus auf Kuelap

In einem Rutsch (zum Teil im wahrsten Sinne des Wortes) schaffen wir es nach den Sarkophagen dann bis hoch hinauf zur Festung "Kuelap" auf ca 3000m Höhe. Dort, am Fuße der Festung übernachten wir, um am Morgen gleich selbige zu erklimmmen.

Diese Anlage der Chachapoyas, was "Volk aus den Wolken" heißt, ist einfach riesig. Umgeben von meterdicken und meterhohen Steinwänden beherbergt sie mehr als 300 runder Steinhäuser sowie mehrere Tempel, Wachtürme und andere Gebäude. Man sagt uns, dass die Inka diese Festung nie erobern konnten. Und als wir vor den mächtigen Mauern stehen, um uns herum nur die steilen Berghänge, können wir uns das auch ganz gut vorstellen. Wie auch?

Hier haben die Chachapoyas ihre Toten allerdings nicht in Sarkophagen an einen Berghang gestellt, sondern sie nach Trocknung und sorgfältiger Mumifizierung in runden, ausgemauerten Löchern im Fußboden ihrer Häuser beerdigt. Steindeckel drauf und fertig. So blieb die Familie immer beisammen.

Die Anlage ist sechs Hektar groß und wir sind die einzigen Besucher, teilen sie uns lediglich mit ein paar neugierig blickenden Lamas und kommen uns vor wie die Entdecker. Die Natur hat sich über die Jahre die Stadt einverleibt und so sieht alles aus, wie ein großer verwunschener Garten- vor dem Panorama der Anden mit Gipfel und Wolken. Wir bewundern die zum Teil noch sichtbaren Verzierungen in den Mauern, die Mahlsteine in den Küchenecken der Häuser und vor allem den Ausblick. So verbringen wir den gesamten Vormittag.....

Sarkophage am Museumseingang
Sarkophage am Museumseingang

Da wir früh wieder beim Sprinterli sind, schaffen wir es noch bis Leymebamba, weiter dem Flusstal des Utcubamba folgend. Die Straße wird nicht besser, und der Fluß ein ein bedrohlich hohes Niveau erreicht und es fehlt nicht viel, bis die Straße ebenfalls zum Fluß wird. Aber wir haben Glück und schaffen es an diesem sonnigen Ausnahmetag bis Leymebamba, wo wir uns das Museum über die frühen Kulturen der Region, also der Chachapoyas und der Inka anschauen wollen. Und genau das tun wir dann auch. Wir sehen viele Mumien sowie zahlreiche Schmuck- und Nutzgegenstände, die man alle in einem alten Dorf mit anliegenden Riesenfriedhof bei der "Laguna de los Condores" gefunden hat- und zwar erst in den 1990er Jahren. Leider waren auch schnell Grabräuber am Start, aber dennoch konnten die Forscher eine Menge archäologischer Schätze bergen.  Österreichische und Deutsche Forscher sind bis heute mit den Fundstücken beschäftigt und es ist beeindruckend zu sehen, das z.B. alle Mumien noch ihr volles gesundes Gebiss besitzen ;-).

Da es immer noch nicht Abend ist, beschließen wir nach unserem Museumsbesuch noch die Weiterfahrt. Wir wollen über den "Schwarzen Schlamm Pass" über die Anden nach Cajamarca, der alten Inka- und Kolonialstadt. Den Pass haben wir schon bei bestem Wetter überquert und auf der anderen Seite herrscht bewölktes Regenwetter. Wie ein Spuk- man fährt um die kurve und !Zakk!! Wetterwechsel. Aber naja, dass Regenzeit ist, ist ja nun auch langsam für uns nichts Neues mehr. Dann aber treffen wir plötzlich auf drei geparkte Autos, man winkt uns zum Anhalten. Schnell begreifen wir, was passiert ist, 200 Meter weiter hat sich der Berghang die Straße einverleibt und somit geht es erst einmal nicht weiter. Ein paar Mann steigen schon mit Schaufeln bewaffnet aus einem kleinen Laster und fangen an zu graben. Hier? Jetzt? im Dunkeln? bei Regen? Wir haben Zeit, morgen früh ist auch noch genug Zeit, um beim Graben mitzuhelfen. Wir drehen bei und suchen einen sicheren Platz zum Übernachten. Einer der PKW´s fährt ebenfalls zu einer Hütte zurück zum Übernachten, der andere will hier nicht warten. Bevor er allerdings zurückfährt, schenkt der Fahrer uns noch ein großes Glas Kräuteschnapps ein- und trinkt natürlich mit. Gegen die Kälte hier in der Höhe. Wir verbringen eine ziemlich laute Nacht, immer mal wieder kommt ein Fahrzeug, muß zurückfahren, wenden, parken. Hupen, Piepen, Stimmen.... Als wir aufstehen, kommt uns allerdings schon der erste LKW entgegen. Die Jungs haben tatsächlich die ganze Nacht gegraben und den Erdhaufen befahrbar gemacht- gerade so breit, dass es passt. Felswand und Abgrund waren nie so nah beieinander. Doch mit Mut und Schwung und Allrad schaffen auch wir es auf die andere Seite. Dort aber kommt uns aber schon bald der PKW von gestern abend wieder entgegen. Weiter unten ist die gesamte Straße auf einer Länge von 200 Metern einfach W-E-C-H. ....och menno! und nun sind wir schon so weit! Also Stelle zum Wenden suchen und noch einmal über den Erdhaufen, der aus dieser Richtung viel steiler ist.... Erst beim dritten Anlauf schwuppsen wir drüber weg und lachen mit noch zittrigen Stimmen vor Erleichterung. Also heißt es, die ganze schlechte Strecke zurück.... wieder versperren zwei neue Erdrutsche die Straße, aber es sind nur kleinere Hügel, die wir ohne Schwierigkeiten schaffen. 

nicht die Wundersylphe, aber ein Artgenosse...
nicht die Wundersylphe, aber ein Artgenosse...

Noch früh genug für ein Frühstück erreichen wir wieder Leymebamba und beschließen, im "Kenticafé" einzukehren. Dort gibt es hervorragenden Kaffee und zudem noch leckere belegte Brötchen. Aber Speis und Trank sind nichtHauptattraktion dieses inmitten einen riesigen Blumengarten gebetteten Cafés und Gästehauses. Nein, es sind die gefiederten kleinen Viecher, die sich an den bunten Blumen bedienen. Die Kolibris! Besonders für die "Wundersylphe", einer ganz besonderen Kolibriart, kommen die Ornithologen hierher, um einen Blick  auf einen der seltensten und sonderbarsten Vögel dieser Welt zu erhaschen. Wir haben leider nicht so viel Glück, beziehungsweise nehmen uns nicht genug Zeit dafür. 

http://web.de/magazine/wissen/bildergalerien/bilder/12048560_p2-die-seltensten-voegel-der-welt.html

wir lieben das Andenpanorama...
wir lieben das Andenpanorama...

Wir wollen ja weiter nach Süden, aber auf keinen Fall die langweilige Panamerikana an der Küste entlang fahren. Haben wir ja auf dem Weg nach Norden schon gemacht. Wir liebäugeln mit der östlichsten Strecke, durch das Amazonas-Gebiet, erfahren aber, dass bedingt durch die hohen Flusstände die Fähren auf der Strecke nicht fahren und somit kein Durchkommen ist. Also versuchen wir noch einen anderen "Schleichweg" durch die Anden. Was auf der Karte als "Befahrbarer Pfad" markiert ist, stellt sich als wunderbar asphaltierte Straße heraus. Zugegeben, hier und da fehlen ein paar Teile der Straße, aber wir sind positiv überrascht und kommen verdammt gut durch. Gut zwei Tage braucht die Tour bis Cajamarca.

Vor Cajamarca wollen wir uns die "Granja Porcón" anschauen, einer Dorfgemeinschaft gläubiger Evangelisten, die ihre Agrarprodukte verkaufen, sowie einen kleinen Zoo betreiben. Zunächst stellt sich das auch alles als peruanisches Dorfidyll dar, aber beim Gang durch die Tiergehege kriegen wir schnell zu viel. Zoos sind nun schon sowieso nicht so unser Ding und wenn dann noch die Gehege so klein und die Gefieder der Papageien so blass und trüb sind, kann uns doch keiner erzählen, dass das artgerechte Tierhaltung (sofern bei Wildtieren überhaupt möglich) im Sinne des Wortes Gottes ist. Aber nun gut. Schlimmer wird es noch, als uns am späteren Abend, ein eifriger Wächter ohne Ausweis von dem uns vorher zugewiesenen Schlafplatz vertreibt, weil wir ihm über Nacht nicht unsere Dokumente überlassen wollen. Wie kommen wir denn dahin!! Wir müssen also auf dem Dorfplatz parken und was da abgeht, könnt ihr euch ja denken: KIRCHENMUSIK! Diesmal LIVE!  Mit Band! Wir schlafen damit ein und wachen davon auf. Einfach toll. Bald können wir mitsingen. Oder der Heilige Geist kommt noch mit ins Auto. Wahrscheinlich beides.

Nichts wie weg nach Cajamarca, der geschichtsträchtigen Stadt. Hier hat Pizarro den Inkaführer Atahualpa gefangen genommen und später hingerichtet, weil er natürlich mit der ihm hingehaltenen Bibel nix anfangen konnte (Trotz des riesigen Imperiums, der Baukünste und der organisierten Verwaltung haben die Inka keine Schrift entwickelt). Von der Inka-Architektur ist leider nicht allzu viel übrig geblieben. Die Spanier haben bis auf die Fundamente die Steine zum Bau ihrer Kirchen und kolonialen Häuser benutzt. Kommt uns bekannt vor.

Nicht weit von der Stadt gibt es Thernalbäder- die Inkabäder. Hier soll der Inka-Häuptling sich gerade entspannt haben, als die spanischen Truppen im Anmarsch waren. Tatsächlich sind noch einige der alten Becken vorhanden, aber es dominiert eine moderne Anlage mit verschiedenen Gebäuden und Bädern und Becken. Wir gehen natürlich auch baden und anschließend saunieren. Gemütlich und entspannend ist allerdings etwas Anderes. Jegliche Art von Kultur und somit für uns das, was man Benehmen nennt (ja Papa, ich weiß, es ist Glückssache)  geht den Peruanern leider völlig ab. So wie sie sich im Straßenverkehr benehmen, benehmen sie sich auch im Schwimmbad oder in der Saune. Nämlich genau so, als gäbe es nur sie allein auf der Welt. Nicht selten entsteht zum Beispiel in den Dörfern Stau, weil ein LKW-Fahrer Hunger hat. Dann muß eben der gesamte Verkehr warten, bis er gesättigt wieder auf den Fahrersitz klettert. Und kein Hupkonzert kann diesen Vorgang beschleunigen.

Außerdem, und das ist noch viel beunruhigender, sind hier irgendwie die Gläuben auf Missionstour. Dass die Leute hier gern in die Kirche gehen und sich im Fernsehen "Die Wundertaten der heiligen XY" im Fernsehen anschauen, ist ja nach längerem Aufenthalt in Südamerika nicht mehr sonderlich verwunderlich. Dass diese Leute dann aber noch versuchen, UNS zu bekehren.... das geht selbst Wera zu weit, die sonst schonmal aus diplomatischen und völkerverständlichen Gründen vorgibt, braver Kirchgänger zu sein- und zwar viel zu weit und tüchtig auf den Keks. Jetzt wird aus purem Trotz gesagt: "Gott gibt es nicht und siehe da ich bin ein glücklicher Mensch!!! " (und wir quälen keine Tiere und nehmen Rücksicht auf unsere Mitmenschen, die Natur und die Schöpfung....könnt ihr das auch behaupten? - Naja, das denken wir uns.... ) Das nächste Mal werden wir demjenigen mal das Lesen eine Enyklopädie empfehlen. Der gesamten Entwicklung Südamerikas wäre es sicherlich zuträglicher, diese auswendig zu lernen, als die komplette Bibel. Frisos Theorie ist allerdings, dass dieses "Dummhalten" großer Teile der Bevölkerung auch durch die Religion durchaus beabsichtigt ist. Wer soll sonst zu "Dumpinglöhnen" Müll sammeln, Putzen, Autos Waschen, den Garten pflegen, die Kinder hüten, die Drecksarbeit machen?!?!

 Cajamarca als Stadt allerdings sehr beschaulich. Wir finden oben auf dem Aussichtshügel die Hacienda San Vincente, zu der wir ohne Allrad nicht gekommen wären, eine feine Bleibe mit Blick auf die Stadt.

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Kommentare: 1
  • #1

    Johanne Janssen (Samstag, 04 Februar 2012 17:02)

    ein toller Reisebericht und so schöne Fotos, super!